Kli­ma­kri­se, Ver­schwö­rungs­theo­rien, Rechts­ra­di­ka­lis­mus, Jugend­wahn, Medi­en­zeit­al­ter, Dro­gen, Hedo­nis­mus, psy­chi­sche Erkran­kun­gen, Eso­te­rik, Gewinnmaximierung, …

Her­aus­for­de­run­gen, mit denen wir uns täg­lich aus­ein­an­der­set­zen müs­sen. Wie bringt man die­se The­men mit einem, wenn nicht dem Klas­si­ker der deut­schen Lite­ra­tur gemein­sam auf die Bühne?

Die­ser gro­ßen Auf­ga­be stell­te sich die zwölf­köp­fi­ge Ober­stu­fen-Thea­ter­grup­pe des Come­ni­us-Gym­na­si­ums gemein­sam mit ihren drei Tech­ni­kern und den Spiel­lei­tern Gün­ther Zill­ner und Patri­zia Gillner.

Nach viel inten­si­ver Pro­ben- und Text­ar­beit und einer gro­ßen Por­ti­on Krea­ti­vi­tät aller Mit­wir­ken­den brach­te man letzt­end­lich ein Stück auf die Büh­ne, das man zusam­men­ge­fasst wie folgt beschrei­ben könnte:

Faust – ein am Leben zwei­feln­der und ver­zwei­fel­ter Wissenschaftler. 

Mephis­to – ein unter Druck ste­hen­der Ange­stell­ter einer Fir­ma, die es mit Recht und Gesetz nicht so genau nimmt. 

Eine Psy­cho­lo­gin – wel­che die toxi­sche Bezie­hung der bei­den auf­zu­ar­bei­ten versucht. 

Gret­chen – ein unschul­di­ges Mäd­chen, ver­führt und verloren. 

Eine teuf­li­sche Wet­te – oder doch ein teuf­li­scher Pakt? 

Mephis­to (Sophie Ver­ga­ra), ein Ange­stell­ter einer dubio­sen, skru­pel­lo­sen und auf Gewinn­ma­xi­mie­rung bedach­ten Fir­ma, bekommt von sei­nem Chef (Ange­li­na Mio­ta) den Auf­trag, den am Leben ver­zwei­feln­den Faust (Johan­na Schuh­mann) anzuwerben.

Der ange­spro­che­ne Faust wird nach einem abge­bro­che­nen Selbst­mord mit ver­schie­de­nen Ver­füh­rungs­mög­lich­kei­ten unse­rer heu­ti­gen Welt kon­fron­tiert: einer zwei­fel­haf­ten Par­tei, Dro­gen, Sex, Reich­tum und Berühmt­heit sowie einer alter­na­ti­ven Welt­sicht. Am Schluss lan­det er aber doch in den Hän­den von Mephis­to, der mit ihm einen Pakt schließt, damit er den Sinn des Lebens erkennt.

Mephis­to zeigt Faust das für ihn wah­re Leben in Form von Ver­gnü­gun­gen, wie zum Bei­spiel einem Besuch auf dem Okto­ber­fest. Da Faust aber die­ser Art von Ablen­kung nichts abge­win­nen kann, sieht Mephis­to die Lösung in einer Ver­jün­gung in einem Labor einer sinis­tren Wis­sen­schaft­le­rin (Kat­rin Nguy­en). Mit Hil­fe von che­mi­ka­li­schen Sub­stan­zen schafft sie es nicht nur, Faust zu ver­jün­gen, son­dern ihn auch in sei­ner Per­sön­lich­keit zu „moder­ni­sie­ren“. Die­ser neue Faust (Felix Pit­troff) ver­liebt sich in das nächst­bes­te Mäd­chen Gret­chen (Han­nah Unver­dor­ben) und kommt ihr mit Hil­fe von Mephis­to, einem Tablet, Insta­gram und einer frei­zü­gi­gen Nach­ba­rin (Lisa Hacker) schnell näher. Um bei Gret­chen sexu­ell lan­den zu kön­nen, gibt er sich auf die Fra­ge „Wie hältst du‘s mit dem Umwelt­schutz?“ als über­zeug­ter Kli­ma­ak­ti­vist aus, des­sen skur­ri­le Ansich­ten zu vie­len spon­ta­nen Lachern im Publi­kum führen.

Als Gret­chens Mut­ter (Jas­min Beh­la) und ihr Bru­der Valen­tin (Jakob Wie­land) die Per­sön­lich­keits­ver­än­de­rung des nun hoch­pu­ber­tie­ren­den Mäd­chens mit Sor­ge ver­fol­gen, stirbt zuerst die Mut­ter an einer Über­do­sis Schlaf­mit­tel und Valen­tin anschlie­ßend in einem Zwei­kampf mit Faust. Es muss wohl nicht erwähnt wer­den, dass dabei Mephis­to sei­ne Hän­de im Spiel hatte.

Um Faust von die­sen Kata­stro­phen abzu­len­ken, schleppt ihn Mephis­to in eine Tech­no-Dis­ko (Tür­ste­he­rin: Ana von Strach­witz), in der aber Faust weder die aus­ge­las­se­ne Stim­mung noch ver­füh­re­ri­sche Tän­ze (Cho­reo­gra­fie: San­ja Köch­lin) von sei­ner Sor­ge und sei­nem Ver­lan­gen nach Gret­chen ablen­ken können.

Letzt­end­lich lan­den Mephis­to und Faust bei einer Psy­cho­lo­gin (Kers­tin Holz­bau­er), um ihre Pro­ble­me aus­zu­dis­ku­tie­ren, da sich bei­de Sei­ten als Sie­ger sehen. Die Ver­wir­rung erreicht ihren Höhe­punkt, als Gret­chen in völ­lig deso­la­tem Zustand dazu­kommt und man von ihrer Schwan­ger­schaft und anschlie­ßen­den Kinds­tö­tung erfährt. Dies wird schließ­lich sogar der Psy­cho­lo­gin zu viel, die am Schluss selbst einen Zusam­men­bruch auf ihrer Psy­cho­couch erlebt.

Lang anhal­ten­der Applaus belohn­te die Schau­spie­le­rin­nen und Schau­spie­ler für ihr über­zeu­gen­des und enga­gier­tes Spiel. Die, die im Hin­ter­grund für die rich­ti­ge Stim­mung in Form von Licht, Musik und wei­te­ren tech­ni­schen Details sorg­ten (Luca Arndt, Maxi­mi­li­an Han­nes, Johan­nes Schmal­ho­fer) hol­ten sich eben­falls auf der Büh­ne ihren ver­dien­ten Bei­fall ab.

Vie­le Zuschaue­rin­nen und Zuschau­er waren sich dar­über einig: Die Trans­for­ma­ti­on des Klas­si­kers „Faust“ in das 21. Jahr­hun­dert ist der Grup­pe mit ihrem Stück „Auf eige­ne Faust“ über­zeu­gend gelungen.

Ein beson­de­res Schman­kerl für die Thea­ter­leu­te war es in die­sem Jahr, dass Nie­der­bay­ern TV eine der drei Auf­füh­run­gen mit­film­te und in vol­ler Län­ge in ihrer Media­thek zur Ver­fü­gung stellte.

Dass Thea­ter nicht nur die Per­sön­lich­keit jun­ger Men­schen formt, indem sie in ande­re Rol­len schlüp­fen, Empa­thie zei­gen und im Team agie­ren müs­sen, son­dern auch den Zugang zu Lite­ra­tur ver­schafft, indem sonst nur schwer zugäng­li­che Stof­fe in ihre Lebens­welt trans­por­tiert wer­den, hat die­se Auf­füh­rung gezeigt und nicht nur das Publi­kum, son­dern auch die bei­den Spiel­lei­ter mit Freu­de erfüllt.