Nach zwei lan­gen Jah­ren Coro­na­pau­se war es am 20. Juli end­lich wie­der soweit: Das Mit­tel­stu­fen­thea­ter unter der Lei­tung von Patri­zia Gill­ner konn­te wie­der auf­füh­ren. Die Freu­de dar­über war aber nicht nur bei den jun­gen Schau­spie­le­rIn­nen groß, son­dern auch bei Thea­ter­lieb­ha­bern aus ganz Deg­gen­dorf und Umge­bung. Dem­entspre­chend vie­le Gäs­te durf­te der Schul­lei­ter Mar­tin Huber an jenem Abend in der Aula des Come­ni­us-Gym­na­si­ums begrüßen.

Dass das von Gil­bert Juli­us Kai­ser geschrie­be­ne Stück alles ande­re als gewöhn­lich sein wür­de, wur­de sehr schnell klar. Die größ­te Beson­der­heit und der schwer­wie­gends­te Stress­fak­tor waren: Das Stück war wegen ver­schie­dens­ter Grün­de bis zu die­ser Auf­füh­rung noch nie mit voll­stän­dig anwe­sen­der Beset­zung geprobt wor­den. Bis zum Schluss war über­haupt nicht klar, ob das Stück über­haupt auf­ge­führt wer­den wür­de. Trotz alle­dem haben die Schau­spie­le­rIn­nen es geschafft, den Zuschaue­rIn­nen einen wahr­lich außer­ge­wöhn­li­chen Abend zu bereiten.

Ein­ge­lei­tet wird die Geschich­te mit einer intel­lek­tu­ell for­dern­den Rede des Autors und einem anschlie­ßen­den dra­ma­ti­schen Ein­zug der Schau­spie­le­rIn­nen. Dar­an knüpft eine kur­ze Vor­stel­lung der drei Haupt- und der wich­tigs­ten Neben­cha­rak­te­re durch den Erzäh­ler (Oscar Sun) an: Alex (Gil­bert Juli­us Kai­ser), ein 17-jäh­ri­ger, cha­ris­ma­ti­scher Nar­zisst mit unge­wöhn­lich gol­de­nen Haa­ren, und Cleo (Sami­ra Sie­bert), sei­ne wun­der­schö­ne Freun­din, Ste­ven (Yolan­da Bus­ke), ein Teen­ager, der die Son­ne ver­ach­tet, weil sie ihm unglaub­li­che Ver­bren­nun­gen beschert und sei­ne bes­te Freun­din Mina (Vero­ni­ka Fischer), die trotz allem immer für ihn da ist, und Car­la (Sarah Bartsch), ein arti­ges Mäd­chen, das sich – aus­ge­beu­tet wegen ihrer beson­de­ren Gabe – nichts sehn­li­cher wünscht, als von ihrer Mut­ter beach­tet zu werden.

Im wei­te­ren Ver­lauf wer­den die Lei­dens­ge­schich­ten jedes ein­zel­nen Haupt­cha­rak­ters gezeigt.

Am Jah­res­tag von Alex und sei­ner Freun­din Cleo stößt die­ser im Restau­rant, in das er Cleo aus­ge­führt hat, mit der Kell­ne­rin Sophia (Mag­da­le­na Zill­ner) zusam­men, die sofort völ­lig hin­ge­ris­sen von sei­nen gol­de­nen Haa­ren ist und sich spä­ter als sei­ne Stal­ke­rin ent­pup­pen soll. An besag­tem Abend beschließt Alex, ange­stif­tet von sei­ner Freun­din, einen You­Tube-Kanal zu eröff­nen. Spä­ter wird er in einem Super­markt von Sophia ange­spro­chen, die ihn – durch und durch beses­sen von ihm – davon über­zeu­gen kann, ihm bei sei­nem Neben­job als You­Tuber behilf­lich sein zu dür­fen. Der Ruhm kommt schnell und steigt ihm noch schnel­ler zu Kopf und bald schon wird aus der hel­fen­den Hand Sophia eine kran­ke Ver­eh­re­rin, die für ihn über Lei­chen gehen wür­de. Das Pro­blem: Cleo weiß davon nichts. Doch das soll sich ändern, als die­se unver­hofft zu früh nach Hau­se kommt und Sophia ver­sucht, sie aus ihrer eige­nen Woh­nung zu ver­trei­ben. Dar­auf­hin gera­ten die bei­den in eine wut­ent­brann­te Aus­ein­an­der­set­zung. Alex wird sich der brenz­li­gen Situa­ti­on bewusst und ver­sucht mit allen Mit­teln, Cleo die Schuld für sein fal­sches Ver­hal­ten zuzu­schrei­ben. Als ihm das nicht gelingt, wird ihm klar: Er muss Cleo zu sich zurück­ho­len, egal, was es kos­ten wür­de. Am Ende die­ser Sze­ne begeis­tert Gil­bert Kai­ser mit einer atem­be­rau­ben­den Gesangs­ein­la­ge, die Alex‘ ver­scho­be­ner Gefühls­welt den letz­ten nöti­gen Aus­druck verleiht.

Ste­ven und Mina sit­zen gemein­sam in Ste­vens Zim­mer. Er spielt Video­spie­le und sie lernt, wie so oft, als Joe (Yan­nick Meis­ter), ein wei­te­rer Freund von Mina, ins Zim­mer kommt. Ste­ven nimmt ihn nicht wahr, bis er im Gespräch zwi­schen Mina und Joe das Wort „Son­ne“ ver­nimmt. Er fällt zum wie­der­hol­ten Male in eine Art Trance, die in einem Anfall mün­det, bei dem er preis­gibt, er müs­se die Welt vor der Son­ne schüt­zen, weil die­se gefähr­lich sei. Mina beru­higt ihn zwar, doch das soll es nicht gewe­sen sein. Ein paar Tage spä­ter tref­fen sich die drei erneut. Als Ste­ven einen leich­ten Son­nen­brand auf Minas Armen wahr­nimmt, ver­liert er end­gül­tig die Fas­sung. Jetzt müs­sen ihm Mina und Joe doch glau­ben, dass die Son­ne gefähr­lich ist, sie sehen ja schließ­lich mit eige­nen Augen, was sie Mina ange­tan hat. Völ­lig in Rage beschließt er, eine Rede zu schrei­ben, um die Mensch­heit vor die­ser all­um­fas­sen­den Gefahr zu war­nen. Wäh­rend­des­sen fas­sen Mina und Joe einen hin­ter­lis­ti­gen Plan, um ihn vom Gegen­teil zu über­zeu­gen: Sie wol­len ihn ohne sein Wis­sen in die Son­ne locken. Lei­der erzie­len sie den gegen­tei­li­gen Effekt: Als es soweit ist und Mina ihm die Augen­bin­de abnimmt, die ihn vor dem Licht schüt­zen soll, flüch­tet Ste­ven, ver­letzt auch davon, von sei­nen Freun­den hin­ter­gan­gen wor­den zu sein. Dar­auf­hin strei­tet Mina sich mit Joe und der beschwert sich vol­ler Empö­rung über die Mensch­heit, dann ver­schwin­det auch er von der Bildfläche.

Car­las Mut­ter (Cari­na Olte­an) ist gera­de dabei, den Tisch zu decken, als auch schon ihre Gäs­te ankom­men: Karin, die Ärz­te­geg­ne­rin (Phil­ipp Scheid­ham­mer), Jes­si­ca, die gla­mou­rö­se Tus­si (Oli­wia Popiel) und Bab­si, die Kat­zen­la­dy (Anni­ka Schlei­cher). Schnell wird klar, dass kei­ner von ihnen ganz „dicht“ ist. Kurz dar­auf betritt Car­la den Raum. Als sie von der plötz­lich wild­ge­wor­de­nen Kat­zen­la­dy ange­rem­pelt wird, fällt Karins Blick auf Car­las Arm. Sie und Car­las Mut­ter bedrän­gen das Kind und die­ses läuft panisch weg. Eine vir­tuo­se, unter die Haut gehen­de Gesangs­ein­la­ge von Sarah Bartsch beschreibt, wie sehr Car­la sich eigent­lich wünscht, nicht mehr allein zu sein. Wenig spä­ter gesteht Car­la ihrer Mut­ter unter Trä­nen, sie habe sich selbst ver­letzt, weil sie dem Druck nicht mehr stand­hal­ten kön­ne. Doch als wäre das nicht schon genug, kämen statt Blut Blu­men aus ihren Wun­den. Car­las Mut­ter ist ver­zwei­felt, doch „ihre Freun­de“ machen ihr weis, sie müs­se ihnen die Blu­men über­las­sen. Sie beschlie­ßen, Car­la als Gabe einen Dolch zukom­men zu las­sen, mit dem sie sich rit­zen und damit immer neue Blu­men pro­du­zie­ren kann, an denen alle aus unter­schied­li­chen Grün­den Inter­es­se haben.  In der letz­ten Sze­ne sitzt Car­la da und redet mit ihrer Mut­ter, die sie eigent­lich gar nicht wahr­nimmt. Plötz­lich fängt das Mäd­chen an, Stim­men zu hören und wird lang­sam wahn­sin­nig. Die „Freun­de“ der Mut­ter ver­sam­meln sich um sie und geben ihr den Dolch, doch sie reißt sich los und läuft weg. Geschockt sit­zen alle Betei­lig­ten da, als Car­las Mut­ter rea­li­siert, was pas­siert ist. Mit einem Schrei endet die Geschich­te. Fast…

Die Fra­ge nach Moral spiel­te bereits am Anfang des Stü­ckes eine Rol­le, nun – zum Ende hin – wird sie noch ein­mal auf­ge­grif­fen. Was ist die Moral der Geschich­te? Was will das Stück aus­sa­gen? Wor­um geht es denn über­haupt? Die­se Fra­ge wird nicht beant­wor­tet. Ein offe­nes Ende lässt dem Zuschau­er die Mög­lich­keit, das Gese­he­ne zu inter­pre­tie­ren, aber das Gesche­hen soll nicht nur zum Nach­den­ken anre­gen, son­dern den Kern tref­fen. Das hat das Mit­tel­stu­fen­thea­ter des Come­ni­us-Gym­na­si­ums mit sei­ner Auf­füh­rung im Schul­jahr 2021/22 auf jeden Fall erreicht.

Sarah Bartsch, 8b