„Stammtische sind etwas Wunderbares“, war einer der ersten Sätze des interkulturellen Trainers Jürgen Schlicher, der am Comenius-Gymnasium einen Workshop zum Thema „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“ hielt. Leider hört man aber ab und zu bei diversen Zusammentreffen in ungezwungener Atmosphäre auch vorurteilsbehaftete, unreflektierte und unmenschliche Äußerungen, die zu erkennen, hinterfragen und auf die zu reagieren es an diesem Samstag ging.
Das Publikum, das sich aus vielen Schülerinnen und Schülern, einigen Kolleginnen und Kollegen sowie interessierten Menschen aus Deggendorf zusammensetzte, bekam zunächst die Aufgabe, sich zu überlegen, wo man denn solchen Parolen überall begegne. Dabei stellte sich schnell heraus, dass der Stammtisch in Bezug auf dieses Thema nur einen von sehr vielen Orten darstellt, und jedem von uns schon solche Aussagen, die andere Menschen pauschal aburteilen oder sie unwürdig darstellen, begegnet sind.
Dass solche Äußerungen Urinstinkte des Menschen, wie zum Beispiel Ängste, beinhalten, meist sehr oberflächlich sind, die Wirklichkeit verzerren, ein Wir-Gefühl erzeugen, polarisieren oder auch aus Unwissenheit resultieren, wurde in einer zweiten Gesprächsrunde festgestellt.
Im Anschluss an diese Vorüberlegungen nannte jede/r Teilnehmer/in ein Vorurteil, das ihr/m schon einmal begegnet ist. Hier war die Bandbreite der genannten Beispiele groß. Von pauschalen Aussagen über Religionen („Alle Moslems sind doch Terroristen“, Frauen („Frauen können nicht Autofahren“), Männer („Ein echter Mann weint nicht“), Flüchtlinge („Die wollen doch alle nicht arbeiten“) oder Gymnasiasten („Sie verstehen doch nichts vom Leben“) war alles dabei.
Auch wenn Vorurteile uns das Leben in mancher Hinsicht zu erleichtern scheinen, sollten wir menschenverachtende Äußerungen doch nicht als gegeben hinnehmen. Hier ging es an den schwierigen Hauptteil des Workshops: Es wurden Rollenspiele in Form eines Innen- und Außenkreises gespielt, bei dem innen in unterschiedlichen Rollen diskutiert und außen beobachtet wurde. Schon bei der Verteilung der Rollenzeigte sich, dass es weitaus einfacher ist, bei Gesprächen unreflektierte Äußerungen von sich zu geben, als auf diese zu reagieren. Als Gründe dafür wurden genannt, dass diese Parolen unkonkret, unsachlich oder emotionsgeladen sind und vermeintliche eigenen Erfahrungen enthalten, denen schwer zu begegnen ist. Wichtig bei der Beurteilung despektierlichen Äußerungen ist es laut Schlicher, der unter anderem Kurse für renommierte Firmen wie z. B. Ikea durchführt, immer zu bedenken, dass jeder Mensch seine eigene Sichtweise auf Dinge hat, und wir nicht das sehen, was wir wirklich sehen, sondern das, was wir wissen. Wir sind also geprägt von unserer „inneren Landkarte“, die unsere Erfahrungen filtert. Diese „Landkarte“ zu erweitern und immer wieder zu hinterfragen, ist eine lebenslange Aufgabe.
Laut Earl E. Davis sind Vorurteile „(…) negative oder ablehnende Einstellungen einem Menschen oder einer Menschengruppe gegenüber, wobei dieser Gruppe infolge stereotyper Vorstellungen bestimmte Eigenschaften von vornherein zugeschrieben werden, die sich auf Grund von Starrheit oder gefühlsmäßiger Ladung, selbst bei widersprechender Erfahrung, schwer korrigieren lassen.“
„Von anderen ohne ausreichende Begründung schlecht denken“, ist nach Gordon W. Allport vielleicht die kürzeste aller Definitionen des Vorurteils.
Wie leicht Menschen sich in eine bestimmte Richtung lenken lassen oder sich eine selbsterfüllende Prophezeiung einstellt, wurde mit den TeilnehmerInnen anhand verschiedener Tests verifiziert.
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit begegnet uns in sehr vielen Varianten: Sexismus, Antisemitismus, Abwertung von Arbeitslosen, Abwertung von Geflüchteten, Homophobie, Abwertung von Menschen mit Behinderung usw.
Dass man auf verachtende Äußerungen sofort reagieren sollte, wurde im Laufe des Seminars noch des Öfteren in Rollenspielen geübt und man stellte fest, dass sich die anfängliche Überforderung zunehmend in Sicherheit und Überzeugung umwandelte, für ein menschenfreundliches Zusammenleben einzustehen.
Als hilfreich in den Rollenspielen stellten sich Nachfragen in Form folgender Beispiele heraus: Woher weißt Du das? Ich sehe das anders …, Wovor hast Du konkret Angst? Was müsste sein, damit …?, Kennst Du persönlich jemanden, der …? Auch das Bewusstsein, dass es auf die komplexen Probleme unserer Zeit keine einfachen Antworten, Pauschallösungen oder Patentrezepte geben kann, ist eine wichtige Voraussetzung für Diskussionen.
Abschließend lässt sich eine Argumentation gegen Parolen auf den kleinen Nenner bringen:
Wichtig im Umgang miteinander ist der Respekt vor jedem Menschen. Nur so kann ein friedliches, freiheitliches und lebenswertes Zusammenleben funktionieren.
Dieses Ziel verfolgt das Bundesprogramm „Demokratie leben“, das es in Zusammenarbeit mit den AntidiskriminierungstrainerInnen des Comenius-Gymnasiums unter der Leitung von OStRin Patrizia Gillner sowie dem Förderverein der Schule ermöglicht hat, diesen bereichernden Workshop durchzuführen.